DIE WINDHOSE AM 18. MĂ€rz 1897 đą
- heinrichgisela
- 23. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
So steht es in der Chronik "Camberg in Wort und Bild" von Albert Schorn geschrieben: Der 18. MĂ€rz 1897 war ein schöner, warmer Tag. Die Sonne meinte es schon morgens recht gut, bis etwa nach 3 Uhr nachmittags der Himmel sich langsam zu trĂŒben anfing und immer trĂŒber wurde. Gegen 5 1/4 Uhr sah man nun ĂŒber der "Wörs" ein Gewitter herannahen. Kaum hatte man das Unwetter bemerkt, da fing es auch schon an zu regnen und alles verschwand von den StraĂen. um unter Dach und Fach sich zu flĂŒchten. Nach einem ganz kurzen Regen kam dann ein furchtbarer Hagelschauer, dieser wĂ€hrte bis gegen 1/2 6 Uhr; dann wurde es ganz finster und es erhob sich plötzlich ein fĂŒrchterlicher Sturm. Alles rauschte durch die Luft: Dachziegel, Schiefersteine, KleiderstĂŒcke und die undenkbarsten Dinge. Die HĂ€user zitterten und klirrend zersprangen die Fensterscheiben durch den fĂŒrchterlichen Luftdruck oder durch die in der Luft herumschwirrenden GegenstĂ€nde. Viele Leute lieĂen alles im Stiche und suchten sich in der sichersten Ecke des Hauses zu verbergen. Ja sie flĂŒchteten sogar in die KellerrĂ€ume, um dort mit Spannung der Dinge zu harren, die da kommen sollten. Nach einigen Minuten hellte sich der Himmel wieder auf, aber, o Schicksal, wie sah es jetzt aus! Viele DĂ€cher waren von HĂ€usern und Scheunen abgehoben, einige Scheunen eingestĂŒrzt, der Ringofen der GebrĂŒder Weyrich war eingestĂŒrzt und die Halle der Reiffeisenschen Kornhalle war vollstĂ€ndig zusammengerissen. Die massenhaften Getreide- und FuttervorrĂ€te waren gĂ€nzlich verschĂŒttet worden. Tausende von Fensterscheiben waren zertrĂŒmmert. Zwei Eisenbahnwagen, wovon noch einer mit Kohlen beladen war, wurden einige Meter weit aus den Schienen geworfen, einer war umgestĂŒrzt. Camberg glich von dieser Stunde ab einer wahren Ruine, vor allem die Bahnhof-, Frankfurter- und MĂŒhlwegstraĂe. Besonders groĂen Schaden haben erlitten die Herren A. J. MĂŒller (jetzige GĂ€rtnerei Richter), Heinrich Schaaf, Carl Göbel, Jos. Klippel, Franz Weyrich, Lehrer Meuser, Peter Jos. Kohlhof, Johann Kassel, J. Ph. Schlier, Johann Muth und Lehrer Zirvas. Auch das BahnhofsgebĂ€ude wurde sehr stark beschĂ€digt und ein davorstehender beladener Rollwagen samt dem Pferde den hohen Damm hinabgestĂŒrzt. Leider ist auch bei diesem schrecklichen Vorgang ein Menschenleben verloren gegangen. Es war dies der Bahnarbeiter Carl Gernand von Erbach, ein braver, fleiĂiger Mann, Vater von 7 Kindern, welcher sich zum Schutze an eine Seite eines Eisenbahnwagens stellte, der umgeworfen wurde. Nach dem Wetter fand man unter dem Wagen seine zerschmetterte Leiche. Ein zweites Menschenleben wĂŒrde sicher in der Person des Herrn Phil. Dobner zu beklagen gewesen sein, hĂ€tte man ihn nicht rechtzeitig in seiner bedrĂ€ngten Lage entdeckt. Als derselbe mit seinem Fuhrwerk (1 Pferd nebst Wagen) mit Ausfahren von Kohlen beschĂ€ftigt war, wurde er von dem Wetter an der GĂ€rtnerei MĂŒller erfaĂt und in einen Graben dicht vor das Wasserrohr der Treppe geschleudert; das Pferd lag ĂŒber ihn hinaus wider der Treppe, daĂ er an Kopf und Brust schwer verletzt wurde. Der Wagen fuhr mit solcher Gewalt gegen den bei der Treppe stehenden Baum, daĂ der Kasten des Wagens ganz auseinander fiel und die darin befindlichen Kohlen den Dobner im Graben total verschĂŒtteten. Zum GlĂŒck war der mit dem Kopfe an das Wasserrohr unter der Treppe zu liegen gekommen, das ihm die nötige Luft zufĂŒhren konnte; sonst wĂ€re er erstickt. Dobner musste nun eine halbe Stunde unter den Kohlen aushalten, bis der vorĂŒbergehende Casper Herber seine Hilferufe vernahm und ihn aus seiner qualvollen Lage befreite. Der Sturm, welcher sich noch weiter nach dem WĂŒrgeser und Steinfischbacher Walde ausdehnte, riss dort eine ungemein groĂe Anzahl BĂ€ume um. Einen furchtbaren Anblick der VerwĂŒstung bot jedoch der Gemeindewald Ohren und der nicht weit davon entfernte herrschaftliche Wald. Der bei dem Gnadenthaler Hof wohnende Förster Kraus rĂ€umte dort mit einer Anzahl von Pionieren auf (Pioniere sind neue, widerstandsfĂ€higere Anpflanzungen), die er sich bei der MilitĂ€rbehörde zu Hilfe erbeten hatte. Der Schaden, der allgemeinen Zerstörung in Camberg allein betrug etwa 94 000 Mark. Dank der eifrigen TĂ€tigkeit des sich schon am darauf folgenden Abend unter dem Vorsitz des Herrn Dekan Wolf zusammengetretenen Komitees, welches einen Aufruf an alle Menschenfreunde erlieĂ, kam ein Betrag von 11 000 Mark zusammen, der den BeschĂ€digten ĂŒberwiesen wurde. Auch der hiesige MĂ€nnergesangverein hat dem Komitee ein Geschenk von 100 Mark gemacht, und auĂerdem veranstaltete er unter Mitwirkung von Mitgliedern des Vereins "CĂ€cilia" zu Wiesbaden und sonstigen hervorragenden Personen ein Konzert, welches den schönen Ertrag von 200 Mark aufzuweisen hatte. Der 18. MĂ€rz war von Prof. Falb als ein kritischer Tag erster Ordnung schon vorher bezeichnet gewesen. (Rudolf Falb (* 13. April 1838 in Obdach in der Steiermark; â 29. September 1903 in Schöneberg) war ein österreichischer, seit 1887 deutscher Forscher, der sich mit Erdbeben und Meteorologie beschĂ€ftigte). Der Sturm war ĂŒbrigens im Gefolge einer Windhose, welche noch jenseits des Rheines bei Coblenz entstanden war und ĂŒber den Taunus verheerend und zerstörend zog, aber auch noch in der Wetterau bei Friedberg nachwirkte. Der Zyklon hatte nur in einer Breite von zirka 20 Metern seinen Weg genommen. AuĂer dem Schaden in Wald und Feld, der beispielsweise bei dem Tenn durch Niederwerfung eines Tannenbestandes sich auf 10 000 Mark berechnete, im WĂŒrgeser Walde ebenfalls betrĂ€chtlich war, fiel dem Sturm auch der Kirchturm in Kirberg zum Opfer, sodaĂ auch Kirberg hierfĂŒr 10 000 Mark aufbringen musste. Möge der Himmel Stadt und Land von Ă€hnlichem Unwetter gnĂ€dig beschĂŒtzen.  #Heimatgeschichte đ
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